Deine Family muss in den Stehblock


Der erste Teil von Simon Gavanda sorgte für sehr viel positive Resonanz. Im zweiten Teil beschäftigt er sich mit der Entwicklung der Zuschauerzahlen in der NFL und GFL.

Deine Family muss in den Stehblock
Simon Gavanda #93 und Casey Therriault #11
Foto: Blurred Pics

Wie angekündigt geht meine „Bottom 10“ Liste heute mit Platz 9 weiter. Der erste Teil kam überraschend gut an, worüber ich mich sehr gefreut habe. Ich hoffe, dass die nächsten Teile ebenso interessant für die Meisten sind. Ein paar Tage nach „dem großen Spiel“ wird es heute etwas um den Vergleich der Zuschauerentwicklung gehen, natürlich mit ein paar kurzen persönlichen Stories als GFL Spieler.

Seit ein paar Jahren werden NFL Spiele regelmäßig im deutschen Free-TV übertragen. Man liest oft von neuen Quotenrekorden und steigenden Marktanteilen. Auch nimmt die Zahl der Football Fans in meinem Bekanntenkreis beständig zu. Gleichzeitig lief ich in der vergangenen Spielzeit in der GFL mehrfach in Stadien mit weniger als 300 Zuschauern ein. Einmal wurden beim Einlauf der Heimmannschaft sogar Klatsch- und Jubelgeräusche vom Band abgespielt. WOW. Aus diesem Grund kam ich auf die Idee, einen Vergleich der Zuschauerentwicklung in Deutschland anzustellen: NFL vs. GFL. Eine tiefgehende wissenschaftliche Beleuchtung des Themas wäre sicher spannend und ich erkläre mich bereit diese Bachelorarbeit zu betreuen .

Im Jahr 2001 sahen Medienberichten zufolge 270.000 . Menschen das Endspiel der NFL. Um diesen Zeitraum las man Berichte von durchschnittlich 11.000 Zuschauern bei Heimspielen in Braunschweig und bis zu 30.000 Besucher beim German Bowl (das Endspiel der GFL). Ich erinnere mich noch gut an mein erstes Halbfinale 2006 in Braunschweig vor ca. 9000 Zuschauern.

Heute 17 Jahre später sahen 1,38 Mio. Footballbegeisterte den Super Bowl und das obwohl die Übertragung traditionell in der Nach von Sonntag auf Montag stattfindet und in der Regel gegen 4 Uhr in der Früh endet. In Prozent ausgedrückt stieg die Super Bowl Einschltquote zwischen 2001 und 2018 um 411 %. Beim vergangenen German Bowl waren laut der offiziellen GFL Statistik 13502 Leute im Stadion. Auch die Heimspiele in Braunschweig, DAS Power House des letzten Jahrzehnts im Deutschen Football, sahen durchschnittlich nur noch 3403 Fans.

Offizielle Zahlen aller GFL Mannschaften konnte ich ab 2014 finden. Im Jahr 2014 waren es 1523 Zuschauer, drei Jahre später 1930 Besucher. Zieht man jedoch die Zahlen eines sehr prominenten Aufsteigers mit einer (im positiven Sinne) total bekloppten Fan-Base ab hat man einen ligaweiten Durchschnitt von 1724 Leutchen pro Spiel. Da die GFL Stadien mit einer Kapazität von 10.000 Plätzen fordert, bedeutet dies, dass die Stadien definitiv nicht aus allen Nähten platzen. Dennoch bekommt man als Spieler von den Vereinen in der Regel nur zwei Freikarten pro Spiel. Die Krönung war, als meine aus 200 km Entfernung angereiste Familie in den Stehblock ohne Überdachung musste. Das großzügige Entgegenkommen der Geschäftsführung war ein Upgrade gegen einen Aufpreis. Im VIP-Block herrschte natürlich gähnende Leere.

Mir ist bewusst, dass der Vergleich etwas hinkt, da es deutlich weniger verlässliche Daten aus der GFL als aus der NFL gibt und das auch noch über einen sehr viel kürzeren Zeitraum. Hinzu kommt, dass es vermutlich auch in den 90ern immer Mannschaften mit weniger Zuschauern gab. Ich denke dennoch dass die Gegenüberstellung und Interpretation der Entwicklung recht spannend ist.

Mir stellt sich die Frage: Wie passt ein NFL Boom in Deutschland mit der Entwicklung der GFL Zuschauerzahlen zusammen? Wie kann es sein, dass das Interesse an deutschem Football seit den 90ern, trotz steigender Zahlen aktiver Spieler und Mannschaften abnahm? Wieso wird die GFL aufgestockt und die Saison mit unattraktiven, schlecht besuchten Spielen in die Länge gezogen? Die damit einhergehenden Verletzungsraten gegen Ende der Saison wären übrigens auch eine spannende Bachelor Thesis wert.

Das Potential an neuen Zuschauern scheint da zu sein, jetzt müssten sie „nur“ noch nach der NFL Saison ins Stadion gelotst werden.

Hier geht es zum ersten Teil " Ein GFL Spieler redet Tacheles"

 

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