Die harten Frauen aus der Legends Football League
Wenn NFL-Profis im Frühjahr regenerieren, springen die Ladies der Legends Football League in die Bresche und liefern dem geneigten Football-Fan seine heiß geliebte Action. Was einst als Dessous-Show zwischen den Endzonen begann, ist längst ein ernst zu nehmender Sport und ein waschechtes American Football-Derivat geworden. Hier lest ihr alles zur Geschichte der LFL, ihrem Modus oder den Regeln und lernt die besten Teams der Saison 2017 zusammen mit den großen Stars der Liga kennen.
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Von einem Super Bowl Sunday wie dem 01. Februar 2004 bleibt in erster Linie der Sieger des Abends in Erinnerung. Der hieß damals New England, weil man mit einem Field Goal kurz vor Schluss den zweiten Super Bowl-Triumph der Teamgeschichte sichern konnte. Aber als der Ball durch die Stangen flog, glühten beim übertragenden Sender CBS längst die Telefone. Für viele konservative Zuschauer war das Spiel nur noch Nebensache. Sie schäumten vor Wut angesichts dessen, was sie im Bruchteil einer Sekunde während der Halbzeitshow sehen mussten: die gepiercte Brustwarze von Janet Jackson, die Gesangspartner Justin Timberlake bei einer Show-Einlage versehentlich vor den Kameras entblößte. Einige der knapp 50 Millionen US-Haushalte, die das Spiel verfolgten, verpassten aber auch diesen TV-Skandal, der als Nipplegate Geschichte schrieb. Sie hatten zuvor 20 Dollar gezahlt, um im Pay-per-View ganz bewusst noch mehr nackte Haut zu sehen: beim ersten Lingerie Bowl der Geschichte.
Der fand zeitgleich im altehrwürdigen Los Angeles Memorial Coliseum statt und ließ die eigens gegründeten Mannschaften Team Euphoria und Team White aufeinandertreffen. Beide schickten dabei jeweils sieben Spielerinnen auf ein 50 Yards langes und 30 Yards breites Kleinfeld: allesamt Models und Schauspielerinnen aus der zweiten und dritten Reihe plus ein paar gut aussehende Sportskanonen wie die Hawaiianerin Sheena Mariano, die gleich auf mehreren Positionen agierte und eine der ersten großen Berühmtheiten der Szene werden sollte. Auch wenn sich alle Damen unter Anleitung echter Football-Coaches einige Wochen intensiv auf das Match vorbereitet hatten, war der Sport hier natürlich Nebensache. Im Mittelpunkt standen ganz klar die Outfits. Wie der Veranstaltungsname schon verrät, liefen beide Teams nur mit Dessous bekleidet – in Spitzen-BHs, Panties und Strumpfbändern – auf.
Als Schutz in dem als Full Contact Tackle Game ausgelegten Match dienten leichte Schulterposter ohne die sonst üblichen Brust- und Rückenprotektoren, Knie- und Ellbogenschoner sowie ein offener Helm, ähnlich jenen Modellen, die Eishockey-Spieler tragen. Ob gemäß Drehbuch oder aus echter weiblicher Rivalität – beim Lingerie Bowl I ging es richtig zur Sache. Gewonnen hat ihn schließlich Team White von Quarterback und Model Nikki Ziering. Ein einziger Touchdown genügte, um Team Euphoria mit Stallone-Ex Angie Everhart und ihrem Backup Quarterback Sheena Mariano zu besiegen.
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Die Ränge im Coliseum blieben an diesem ersten Februar-Sonntag 2004 ziemlich leer. Das Interesse an den Bildschirmen muss offensichtlich um einiges größer gewesen sein, denn Veranstalter Horizon Productions legte im Folgejahr gleich Lingerie Bowl II auf. Titelverteidiger Team White trat dabei nun als Los Angeles Temptation auf und sicherte sich erneut den Titel gegen Euphoria, die ihre Heimat im Big Apple gefunden hatten und als New York Euphoria aufliefen. Vor dem großen Finale gab es 2005 erstmals auch schon Halbfinals, denn der Lingerie Football war mit den neuen Teams Chicago Bliss und Dallas Desire schon nach einem Jahr kräftig gewachsen.
Auch beim Lingerie Bowl III im Jahr 2006 hieß die Paarung erneut Temptation gegen Euphoria. Dieses Mal behielt Euphoria das bessere Ende für sich und gewann mit einem knappen 13:12. In den nächsten Jahren verschwanden die leicht bekleideten Footballspielerinnen dann zwangsweise von den Bildschirmen. Eigentlich hatte Horizon für jedes Jahr einen weiteren Lingerie Bowl angesetzt, aber mal fehlte das Geld oder die Einwohner des geplanten Austragungsortes gingen auf die Barrikaden. 2009 scheiterte schließlich auch der dritte Lingerie Bowl in Folge.
Trotzdem stand man bei Horizon voll hinter der Lingerie Football-Idee und wagte im gleichen Jahr einen großen Wurf. Die Lingerie Football League mit zehn Teams von San Diego bis Miami wurde gegründet. Mit dabei war auch wieder Los Angeles Temptation, während New York Euphoria von New York Majesty ersetzt wurde. Gespielt wurde in zwei Conferences – Eastern und Western – mit jeweils einem Play-off als Qualifikation für den finalen Lingerie Bowl der Saison. Der wurde Anfang 2010 erstmals per Live-Stream übertragen, aber die enorm hohen Zugriffsversuche aus aller Welt ließen die Horizon-Server schnell in die Knie gehen.
Lingerie Football und die neue Liga hatten dennoch den Durchbruch geschafft. Vor allem männliches Publikum war von dem sportlichen Dessous-Spektakel begeistert. Manche Begegnung besuchten mehrere Tausend Zuschauer, die MTV-Sender stiegen in die Übertragungen ein und sogar in Australien schaffte es die Lingerie Football League auf die Bildschirme.
Jetzt wollte Liga-Chef und Besitzer Mitchel Mortaza mehr. Die Lingerie Football League, kurz LFL, sollte ein fester Bestandteil des milliardenschweren globalen Sportmarktes werden. 2012 gründete er einen Ableger in Kanada und im Jahr darauf feierte die LFL Australia ihre Taufe. Selbst für Deutschland und Europa lagen schon Expansionspläne in seiner Schublade. Die harsche Kritik, die Lingerie Bowl und Lingerie Football League seit Jahren überall verfolgten, stand dabei natürlich im Weg. Der knappe erotische Dresscode wurde als primitiver Sexismus gebrandmarkt und wer dann noch genauer hinschaute, fand sogar einige handfeste und nicht gerade rühmliche Fakten über die Liga heraus. Alle Spielerinnen waren hier als Amateure unterwegs und übten nebenbei meist noch ganz normale Jobs aus. So hatten sie zumindest eine Krankenversicherung, die die Versorgungskosten nach den mitunter schweren Verletzungen auf dem Spielfeld übernahm. Manche Kolleginnen mussten dafür aus eigener Tasche bezahlen, denn die medizinische und finanzielle Unterstützung der Liga ließ sich bestenfalls als bescheiden bezeichnen. Mehr Wert legte man dagegen auf gelegentliche Unfälle mit der zarten Bekleidung, zu deren Herbeiführung Spielerinnen sogar vertraglich verpflichtet wurden.
Mortaza wusste, hier muss sich einiges ändern. Also verordnete er der Liga 2013 in den Staaten eine einjährige Auszeit, um ihr ein neues, seriöseres Gesicht zu geben. Das begann mit einem neuen Namen. Aus der Lingerie Football League wurde die Legends Football League. Damit verschwanden auch die Dessous vom Spielfeld. Die Spielerinnen blieben zwar ähnlich spärlich bekleidet, trugen ab jetzt aber zumindest echte Sportbekleidung, die irgendwo zwischen sexy und funktional rangierte. In diesem Look, und in guter Lingerie Bowl-Tradition ergänzt um Make-up oder Nagellack, laufen auch die Teams der 2017er LFL-Saison wieder auf.
Beim Regelwerk der Legends Football League hat sich seit den Tagen von Lingerie Bowl und Lingerie Liga ebenfalls viel verändert. Gespielt wird zwar nach wie vor auf einem 50-Yards-Feld, allerdings umfasst jedes Match nun statt zwei zehnminütigen Halbzeiten vier Quarter von jeweils zehn Minuten Länge. Die Halbzeitpause dauert zwölf Minuten, eine eventuell notwendige Verlängerung während der Saison einmalig acht Minuten, bevor das Spiel endgültig unentschieden gewertet wird.
Mit sieben Spielerinnen auf dem Feld fallen die Teams der Legends Football League etwas kleiner aus als die typische Mannschaftsgröße bei anderen Football-Ablegern mit ihren jeweils acht Spielern - und deutlich kleiner gegenüber der NFL, wo jeweils elf Spieler aktiv sind. Insgesamt hat jedes LFL-Team 20 Spielerinnen, ein Match-Kader ist aber auf 14 Namen limitiert. Deswegen müssen die meisten von ihnen gleich mehrere Positionen übernehmen und häufig sogar zwischen Defense und Offense wechseln.
Ein neues Spiel und die zweite Halbzeit beginnen jeweils mit einem Kickoff. Die Offense muss mit vier Spielzügen ein neues First Down erzielen. Dafür sind auch hier zehn Yards Raumgewinn notwendig. Jeder Angriff muss zum Touchdown für sechs Punkte geführt werden. Das Field Goal fehlte in diesen Football-Regeln vom allerersten Spiel an. Nach einem Touchdown hat ein Team aber die Möglichkeit einer One- oder Two-Point Conversion, aus einem beziehungsweise drei Yards Distanz. 2015 führte die LFL auch den Punt ein – er kann nun innerhalb der ersten eigenen zehn Yards getreten werden. Insgesamt zeigt sich das Regelwerk der oft als Bras-and-Panties-League verspotteten LFL ähnlich knapp wie die Spielbekleidung. Natürlich gibt es auch Strafen, aber die Referees sind hier wesentlich weniger in Aktion zu sehen als in der NFL oder in anderen Ligen.
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Die Legends Football League füllt 2017 fast nahtlos die Lücke zwischen Super Bowl LI und der kommenden Saison. Schon lange spielt man nicht mehr im Schatten des großen Profispektakels, sondern zeigt sich selbstbewusst als Alternative in der NFL-freien Zeit. Wie im Vorjahr wird mit einer auf acht Teams aufgestockten Liga in zwei Conferences gespielt, nachdem die Liga zwischenzeitlich deutlich geschrumpft war. Im Osten treten
ein Team der frühen Lingerie Bowl-Zeiten an. Die Western Conference bilden
Los geht es am 14. April 2017 mit der Begegnung Seattle gegen Austin. Die weiteren Matches folgen im Wochentakt jeweils freitags oder samstags in den frühen Abendstunden nach amerikanischer Zeit. Lange aufbleiben müssen deutsche LFL-Fans deswegen aber nicht. Hierzulande zeigt kein TV-Sender oder Online-Anbieter eine Live-Übertragung. Die beste Möglichkeit, die Spiele zumindest zeitversetzt zu verfolgen, bietet der LFL YouTube-Kanal, den ihr kostenlos abonnieren könnt. Dazu findet ihr beim Streamingdienst FUSE, ebenfalls gratis, einen weiteren Legends League Football-Channel, der laufend aktualisierte Spielzusammenfassungen und Hintergrundberichte zeigt.
Auf beiden Kanälen gibt es dann sicherlich auch die besten Szenen der Conference Championships zu sehen, die Mitte August 2017 ausgespielt werden. Am 26.08.2017 steigt dann schließlich das große Finale um den Legends Cup 2017. Geht es um die Favoriten für diesen Titel, wird wie fast jedes Jahr zuerst Chicago Bliss genannt, die mit Jayne Caldwell aus der australischen LFL auf der Quarterback-Position stark aufgerüstet haben. Daneben stehen die Mannschaften aus Atlanta und Seattle hoch im Kurs. Vielleicht feiert aber auch Los Angeles Temptation eine Auferstehung, nachdem das mit fünf Titeln erfolgreichste LFL-Team im vergangenen Jahr erstmals nicht über die Saisonspiele hinauskam.
Mit Sicherheit werden aber einige der LFL-Topstars auf den Kunstrasen zurückkehren: allen voran die Defense-Spezialistin und 2015 League MVP Danika Brace aus Seattle oder die wohl bekannteste US-Zahnärztin Dr. Alli Alberts aus Chicago, die tatsächlich nebenbei noch praktiziert. Geld wird in der LFL nämlich immer noch nicht verdient. Die Spielerinnen müssen sogar für ihre Registrierung eine Gebühr von 45 US-Dollar bezahlen. Nur wenige große Namen der letzten Jahre – beispielsweise Chelsie Jorgensen und Angela Rypien aus Seattle – die Tochter von Super Bowl XXVI MVP Mark Rypien – brachten es über Umwege mit Playboy-Fotos oder als Markenbotschafterin bekannter Sportunternehmen zu einem kleinen Vermögen.
Die meisten anderen tragen ihre Haut hier immer noch als reines Hobby zu Markte. Und die leidet natürlich ganz schön, wenn man regelmäßig leicht bekleidet über AstroTurf und das eingestreute Granulat schlittert – von anderen Blessuren und footballtypischen schwereren Verletzungen ganz zu schweigen. Für hauptberufliche Schauspielerinnen oder Models ist hier kein Platz mehr. Die LFL-Ladies sind durch die Bank semi-professionelle Top-Athletinnen, die weder sich noch ihre Gegnerinnen schonen und ihren Fans Woche für Woche echten, harten Football zeigen, der sich sehen lassen kann.
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